Es ist gar nicht so einfach, sich Gedanken über das Leben zu machen. Leben ist auf den zweiten Blick dann doch mehr als Geld, Spaß und Liebe. Wenn man sich mit dem Artikel 2 des Grundgesetzes auseinandersetzt, der im zweiten Absatz besagt:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
dann beginnt man schon zu grübeln. Denn die Fragestellung ergibt sich:
- Wer ist Träger dieses Rechts? Sollten nicht alle lebendigen Wesen darin inbegriffen sein? Auch die Tiere?
- Wann beginnt eigentlich das Leben? Erst mit der Geburt oder bereits bei der Befruchtung oder zu einem Zeitpunkt dazwischen? Und was bedeutet das für tiefgefrorene Embryonen und ihre Rechte?
- Was macht das Leben lebenswert? Und wer entscheidet darüber?
- Und was ist am Ende des Lebens? Wann ist es wirklich vorbei, so dass man die Organe spenden kann? Wer beendet es, wie und warum? Von Todesstrafe bis Abtreibung, von Freitod bis Beihilfe zum Suizid… und was darf mit meinem Leichnam geschehen?
Und bei all diesen Fragestellungen haben wir über das Thema „Körperliche Unversehrtheit“ noch nicht einmal angefangen zu sprechen.
All diese tiefgreifenden Überlegungen stecken in einem einzigen Satz des Grundgesetzes. Und wir versuchen uns ihm zu nähern, in kleinen Schritten: Wir beginnen wieder bei George Floyd, der Gewalt durch die Polizei erlebte. Er verlor dabei nicht nur sein Leben, sondern erlebte 8min der Folter und der Verletzung seines Grundrechts auf „Körperliche Unversehrtheit“. Wir tauchen in dieser Woche mit ihm zusammen ab in die Welt der Todesstrafe und wenn es ganz dunkel ist, streifen wir auch den Suizid. Aber wo es den Tod gibt, gibt es auch das Leben. Dort wo es die Trauer gibt, gibt es auch die Hoffnung in Form eines anderen Mannes: Paul Alexander
An einem heißen Tag im Jahr 1952 infizierte er sich im Alter von 6 Jahren mit Polio (Kinderlähmung) – einer Krankheit, die heute dank eines Impfstoffs fast ausgerottet ist, aber damals für Angst und Schrecken sorgte. Niemand war sicher und niemand wusste, wie der Krankheitsverlauf bei einem aussehen würde. Nach fünf Tagen wachte Paul im Krankenhaus auf, eingeschlossen in einer schnaufenden eisernen Röhre in der nur noch sein Kopf herausragte, in einem Raum der voll war mit weiteren Kindern in eisernen, schnaufenden Röhren. Der Virus hatte ihn mit voller Wucht erwischt. Pauls konnte nicht mehr eigenständig atmen und nur die Eiserne Lunge bewahrte ihn vor dem Erstickungstod. Heute ist er 74 Jahre alt und liegt noch immer in einer Eisernen Lunge aus den 50er Jahren. Und doch war sein Leben lebenswert! Er lernte eine Art Schnappatmung mit der er mehrere Stunden pro Tag außerhalb der Eisernen Lunge verbringen konnte. So beendete er mit 21 die Schule mit Bestnoten und studierte Jura. Er arbeitete als Rechtsanwalt im Rollstuhl. Er reiste und liebte, organisierte Demonstrationen für die Rechte von Menschen mit Behinderung und kämpfte für deren Gleichstellung.
Sein Leben zeigt: Niemand kann dem anderen sein oder ihr Recht zu Leben absprechen. Aber man kann helfen es besser zu machen.
In diesem Sinne, Dein Tugendvogel-Redaktionsteam
Das Recht auf Leben zum Nachlesen
- Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Art. 2.2 GG
- Europäische Menschenrechtskonvention Art. 2 – 5
- Abschaffung der Todesstrafe Art. 102 GG
- Amnesty International Bericht zur Todesstrafe 2018
- die unglaubliche Geschichte vom Mann in der Eisernen Lunge (The Guardian)
- Filmtipp: Sieben Leben mit Will Smith
- Filmtipp: Beim Leben meiner Schwester
- Filmtipp: Das Leben ist ein mieser Verräter
- Filmtipp: Club der roten Bänder
- Knochenmarkspenderdatei DKMS
- Alle Infos rund um den Organspendeausweis