Auf Bundesebene gelang mit dem Projekt Jugend 2014 in Trägerschaft der djo – Deutsche Jugend in Europa in Kooperation mit mehreren Migrant_innenjugendselbstorganisationen über eine Projektförderung der Einstieg in eine indirekte Regelförderung von fünf Migrant_innenjugendselbstorganisationen. Somit werden nun die Verbände
Amaro Drom e.V. , ein Jugendverband junger Roma und Nicht-Roma,
- der Assyrische Jugendverband Mitteleuropa e.V.,
- der Verband der russischsprachigen Jugend in Deutschlаnd JunOst e.V.,
- der Jugendverband der Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF-Jugend) e.V. und
- der Kurdische Kinder- und Jugendverband – KOMCIWAN e.V.
vermutlich dauerhaft aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes gefördert. Die Abwicklung läuft über die djo – Deutsche Jugend in Europa als Zentralstelle bzw. bei der DIDF-Jugend über die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken. Weitere Kooperationspartner im Projekt Jugend 2014 waren die Muslimische Jugend in Deutschland (MJD) e.V., der Verband der russischsprachigen Jugend in Deutschland – JunOst e.V. und Young Voice TGD (angesiedelt bei der Türkischen Gemeinde in Deutschland e.V.). Der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland wurde bereits im Herbst 2011 als erste eigenständige Migrant_innenjugendselbstorganisation in den Deutschen Bundesjugendring aufgenommen.
Im Lauf des Fachforums wurden die mühevolle und von Widerständen aus unterschiedlichen Richtungen begleitete Aufnahme der Fatih-Jugend in den Stadtjugendring Mannheim, der Rücktritt des Bundesvorstands des Bundes der Muslimischen Jugend (BDMJ, Jugendorganisation der DITIB auf Bundesebene) nach der Verschärfung des Drucks seitens des DITIB-Bundesvorstands, des Abzugs des für die Jugend verantwortlichen Mitarbeiters ohne Abstimmung und der Zuspitzung der politischen Situation in der Türkei sowie die Erwähnung der Muslimischen Jugend in Deutschland in Verfassungsschutzberichten des Bundes und einiger Bundesländer angesprochen. Letzterer wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, so dass sie über mehrere Jahre nicht als Antragstellerin für Fördermittel auftreten konnte. Der BDMJ war erst Anfang 2015 gegründet worden und umfasst die 15 DITIB-Landesjugendverbände. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben Jugendliche aus über 820 Moscheegemeinden und 100 weiteren Vereinen aus ganz Deutschland.
Im Umgang mit muslimischer Jugendarbeit sind verschiedene wiederkehrende Mechanismen zu beobachten: Den Jugendverbänden werden Aktivitäten ihrer Gesamtverbände oder Kooperationspartner – zum Teil quasi im Rahmen einer angenommenen „Kontaktschuld“ – zugerechnet. Im jugendpolitischen Diskurs können sich Vorbehalte gegenüber einem (konservativen) islamischen Jugendverband und seiner Nähe zu konservativen Gesamtorganisationen, eine allgemeine Religionskritik sowie die Befürchtung eines Hineinspielens der politischen Veränderungen in der Türkei in die deutsche Jugendverbandsarbeit zu einer Skepsis gegenüber einzelnen muslimischen Jugendverbänden verdichten, die im Gegensatz zur sonst ganz überwiegend vorhandenen Offenheit für Migrant_innenjugendselbstorganisationen steht.
Eine zentrale Anforderung, die sich bereits aus den gesetzlichen Bestimmungen im Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) ergibt, ist die „eigenverantwortliche Tätigkeit“ von Jugendverbänden. Sie ist Voraussetzung für eine Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe und für die Beantragung von Fördermitteln. Dies bedeutet, dass sich vorhandene muslimische Strukturen – etwa Moscheegemeinden oder muslimische Verbände auf Landes- und Bundesebene – auf diese Anforderung einstellen müssen, wenn sie Fördermittel für die Kinder- und Jugendarbeit in Anspruch nehmen möchten oder sonstige Förderanträge im Themenfeld stellen möchten. Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass eine Aufnahme in die Jugendringe nicht notwendigerweise mit einem Anspruch auf öffentliche Förderung der Kinder- und Jugendarbeit eines Trägers oder Jugendverbandes verknüpft ist.
Der Aufbau muslimischer Jugendarbeit und das Hereinwachsen in die Jugendringe haben in den letzten Jahren von der kommunalen Ebene bis zur Bundesebene erhebliche Fortschritte gemacht. Dennoch ist die Öffnung muslimischer Jugendarbeit für die deutsche Jugendverbandslandschaft und die Öffnung der Jugendverbände und -ringe für muslimische Verbände ein nicht immer konfliktfreier und schneller Prozess. Die berichteten Einzelfälle haben verdeutlicht, dass der persönliche Kontakt der handelnden Personen eine wichtige Voraussetzung für die Lösung von Konflikten ist und möglichst viel Kommunikation helfen kann, Missverständnisse und falsche Unterstellungen oder Vorannahmen zu verhindern.
Insgesamt sehen die muslimischen Jugendverbände und jungen Muslime selbst nach meinem Eindruck den aus ihrer Sicht bedeutsamen innermuslimischen Zusammenhalt entspannter und sind weniger durch Verbandsegoismen und Positionsunterschiede geprägt.
Ansgar Drücker ist Geschäftsführer des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e.V. (IDA). IDA versteht sich als das Dienstleistungszentrum der Jugendverbände für die Themenfelder Rassismuskritik, Rechtsextremismus/Rechts-populismus, Migration, Diversität sowie Flucht und Asyl.