Die Jugendarbeit bildet einen wichtigen und äußerst vielfältigen Tätigkeitsbereich innerhalb der sozialen Arbeit. Die Förderung und Bereitstellung von Diensten, die ein breites Angebot an Jugendarbeit garantiert, gilt als staatliche Pflichtaufgabe. Das zeigt, welch große Bedeutung der Jugendarbeit im demokratischen Werte- und Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland beigemessen wird. Trotz einer immensen Heterogenität des Angebots und der verwendeten Methoden kann festgehalten werden, dass die Stärkung von sozialen und selbstwirksamen Kompetenzen sowie die Befähigung zu sozialem Engagement und Partizipation als klassische Ziele von Jugendarbeit angesehen werden.
Als Träger von Jugendarbeit fungieren neben staatlichen Einrichtungen insbesondere auch zivilgesellschaftliche Organisationen, wie Sport- und/oder Jugendvereine aber auch Kirchen und andere Religionsgemeinschaften. In den letzten Jahrzehnten hat sich auch eine Vielzahl an muslimisch-geprägten Initiativen gebildet, die sich in vielfältiger Weise im Bereich der Jugendarbeit engagieren. Im Folgenden sollen einige der spezifischen Herausforderungen muslimisch-geprägter Jugendarbeit auf zwei verschiedenen Ebenen skizziert werden:
Ebene 1: Gesellschaftliche Diskurse
Die gesellschaftlichen Debatten rund um „den“ Islam und „die“ Muslime sind von einem immanenten Misstrauen geprägt und drehen sich meist um negativ konnotierte Themen. Vor diesem Hintergrund werden oft auch Initiativen skeptisch beäugt, die sich im Bereich der muslimischen Jugendarbeit engagieren. In diesem Sinne bewegt sich die muslimische Jugendarbeit in einem Spannungsfeld aus externen Befürchtungen, dass durch eine derartige Jugendarbeit muslimische Jugendliche negativ beeinflusst werden könnten, und dem eigenen Anspruch, einen guten Beitrag für die Jugendlichen und das gemeinschaftliche Zusammenleben in Deutschland zu leisten.
Als spezifische Herausforderung muslimisch-geprägter Jugendarbeit muss daher auch der mediale Fokus (bis hin zu koordinierten Kampagnen im social media Bereich) erwähnt werden, der mitunter sehr negative Wirkungen auf das Engagement haben kann.
Aufgrund der (gefühlten wie tatsächlichen) Möglichkeit, zum Mittelpunkt einer undifferenzierten oder polemischen Medienberichterstattung zu werden, scheint eine weitere Herausforderung für muslimische Akteure in der Jugendarbeit darin zu liegen, zusätzliche Ressourcen aufzubringen, um eine bedachte und möglichst professionelle Öffentlichkeitsarbeit (inkl. Krisenkommunikation) zu erarbeiten.
Ebene 2: Politische Rahmenbedingungen
Wie bereits erwähnt, gilt die Bereitstellung von vielfältigen Angeboten der Jugendarbeit als wichtige Aufgabe des Staates. In Bezug auf muslimisch-geprägte Jugendarbeit fällt auf, dass diese nur in einem vergleichsweise geringen Umfang von staatlicher Förderung profitiert. Dies hat sicherlich in entscheidendem Maß mit rechtlichen, organisatorischen und strukturellen Schwierigkeiten innerhalb der islamischen Vereinslandschaft in Deutschland zu tun.
Gleichzeitig ist aber auch eine zunehmende Vermischung der traditionellen Zielvorstellungen unterschiedlicher staatlicher Institutionen zu beobachten, die den Modus der Förderung von Jugendprojekten beeinflusst. Konkret soll damit die Verknüpfung von Jugendarbeit mit sicherheitspolitischen Fragestellungen gemeint sein, die die Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft als Ganzes und damit auch der muslimischen Akteure im Feld nachhaltig beeinflusst. Während Jugendarbeit traditionell einen ressourcenorientierten Ansatz verfolgt und versucht, die Potentiale von jungen Menschen zu heben, treten nun (auch) sicherheitspolitische Befürchtungen hinzu, und der Wunsch potentiell gefährliche Zustände präventiv zu verhindern.
Diese sicherheitspolitische Sicht drückt sich unter anderem in einer Aufstockung von Förderprorammen im Bereich der Präventionsarbeit von religiös begründetem Extremismus aus. Muslimisch geprägte Jugendarbeit wird aus dieser Sichtweise häufig als Maßnahme gesehen, um junge Muslime davor zu bewahren, extremistischem Gedankengut zu verfallen. Demgegenüber steht die Perspektive, die (muslimische) Jugendarbeit als demokratischen Selbstzweck und -wert begreift und nicht in den Zusammenhang mit Extremismus stellt.
Ein Engagement im Bereich der Präventionsarbeit sollte unbedingt darauf achten, die jugendlichen Zielgruppen nicht zusätzlich zu stigmatisieren oder problematische gesellschaftliche Bilder zu reproduzieren, in denen muslimische Jugendliche als besonders gefährlich oder gefährdet gelten.
Perspektiven:
Im Bereich der muslimisch geprägten Jugendarbeit scheint sich bei vielen Akteuren das Gefühl durchgesetzt zu haben, dass man intensiver und kritischer beobachtet wird als nicht-muslimische Kolleginnen und Kollegen. Gleichwohl existiert eine Reihe an erfolgreichen Projekten im Bereich der Jugendarbeit, die von muslimischen Akteuren getragen wird und/oder sich an muslimische Zielgruppen wendet. Good-Practice-Beispiele zeigen, dass eine gute, nachhaltige und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen am Projekt beteiligten Stakeholdern möglich ist. Einige hilfreiche Aspekte, die unter dem Motto „Vertrauen durch Transparenz“ subsumiert werden könnten werden im Folgenden aufgelistet:
- Dokumentation der Erfahrungen, die in der Projektarbeit gesammelt werden
- Einhaltung und Erarbeitung von Qualitätsstandards
- Vertrauen durch gute Administration, eine professionelle und bedachte Öffentlichkeit, fundierte Inhalte und pädagogische Methoden
- Einbeziehung von fachlich qualifizierten Personen als Jugendleiterinnen und Jugendleiter
- Vorleben und Vermittlung einer pädagogischen Haltung
- Emanzipation von Strukturen, sofern sie eine pädagogische Herangehensweise unmöglich machen
- Funktionale Trennung zwischen religiöser Unterweisung und pädagogischer (wertegebundener) Jugendarbeit
Offene Fragen:
- Was ist das muslimische an muslimischer Jugendarbeit?
- Geht es um muslimische Jugendarbeit oder um Jugendarbeit für Muslime?
- Wie gestalte ich meine Öffentlichkeitsarbeit im Kontext polarisierender Diskurse?
- Wie positioniert man sich als Träger im großen Feld der Jugendarbeit? Welches Selbstverständnis hat man von seiner Arbeit?
- Wie versteht man die eigene als (religiöser Träger) innerhalb der Zivilgesellschaft?
Amir Alexander Fahim arbeitet derzeit als Leiter des Projektes „Präventionsnetzwerk gegen religiös begründeten Extremismus“ bei der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Er studierte Religionswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Als Doktorand untersucht er die Wirkungen von Sicherheitsdiskursen auf junge, in Deutschland sozialisierte Muslime.