Ältere Menschen haben viel erlebt, viel zu erzählen und oft niemanden, der zuhören will. Hana (14), Hannah (11), Riham (12) und noch einige andere Jugendliche aus Heilbronn wollen das ändern. Sie haben sich die Geschichten angehört und ganz besonders die von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie haben sie kombiniert mit den Geschichten, die ihre Eltern ihnen erzählen und was sie von gerade erst angekommenen Geflüchteten gehört haben. Unter der künstlerischen Leitung von Angelika Hart haben sie daraus ein Theaterstück gemacht, das sie in Heilbronn und Umgebung auf die Bühne bringen. Gemeinsam mit ihrem Jugendleiter Erol Yilmaz (37) erzählen sie im Interview von ihrem Projekt.
Wie hat es angefangen?
Erol: Wir wollten auf jeden Fall etwas mit älteren Menschen machen, sie kennenlernen und ihre Geschichten hören. Deswegen sind wir in zwei Altersheime gegangen. Mit Hilfe von Angelika haben wir ein Theaterstück daraus entwickelt. Wir haben es jetzt schon mehrfach in den Heimen und auch an anderen Orten aufgeführt.
Warum wolltet Ihr gerade mit älteren Leuten etwas machen?
Erol: Weil sie schon viel erlebt haben. Viele von ihnen haben ja auch Fluchterfahrung. Da schlagen wir den Bogen zu heute. Deswegen heißt das Projekt „Déjàvu“. Es geht darum, Verständnis für die Lage der Geflüchteten zu schaffen.
Hana: Es sind ja zum Teil auch Geschichten von unseren Eltern, die in unser Theaterstück eingeflossen sind.
Riham: Es fängt mit der Geschichte eines Mädchens im Zweiten Weltkrieg an. Es musste sich vor den Soldaten verstecken und hat Kartoffeln geklaut. Die Handlung klappt dann in die Gegenwart zu Geflüchteten heute. In dem Theaterstück zeigen wir, dass es schon einmal viele Flüchtlinge gab und dass es damals auch gut geklappt hat. Wir wollen den Menschen Mut machen, dass es auch heute klappen wird.
Wie haben die Menschen im Altersheim auf Euch reagiert?
Hannah: Die Leute im Altersheim haben sich sehr gefreut, dass wir zu Besuch gekommen sind. Es kommen da ja nicht so oft junge Leute. Sie fanden es gut, dass sich jemand für ihre Geschichten interessiert. Manche haben uns gerne alles erzählt, anderen fiel dies eher schwer.
Und ihr, fandet ihr es spannend? Viele Jugendliche finden die alten Geschichten doch eher langweilig?
Hana: Ich fand es sehr spannend.
Riham: Nee, voll interessant!
Erol: Es sind gute Kontakte entstanden und manche Jugendliche gehen immer noch zu Besuch ins Altersheim.
Haben sich die Leute nicht gewundert, dass muslimische Jugendliche ins Altersheim kamen?
Erol: Ich glaube, die haben gar nicht so wahrgenommen, dass es eine muslimische Jugendgruppe ist.
Was ist das „Islamische“ an Eurem Projekt?
Erol: Es ist ein Gebot des Islam, dass man sich um die Alten kümmert. Auch das Thema Flucht ist ja eines, das im Islam eine Rolle spielt.
Was habt ihr als Nächstes vor?
Hana: Wir planen ein neues Projekt. Diesmal wollen wir in ein Krankenhaus. Wir wollen etwas mit Kinder machen, die nicht viel Besuch bekommen.
Riham: Außerdem machen wir gerade ein Hörspiel. Wir nehmen das Theaterstück nochmal auf. Wir waren im Tonstudio und jetzt schneiden wir.
Erol: Wir haben auch noch ein paar Auftritte vor. Nachdem wir „Déjàvu“ ein paar Mal im Altersheim aufgeführt haben, wollen wir es jetzt in Jugendclubs zeigen.
Könntet ihr anderen Gruppen Tipps geben: Was braucht man, wenn man ein solches Projekt machen will?
Erol: Man braucht gute Partner. Wir haben erst selbst versucht, ein geeignetes Altenheim zu finden. Das hat nicht gut geklappt. Die Stadtverwaltung und die Katholische Erwachsenenbildung haben dann geholfen und dann ging es auf einmal.
Hannah: Trotzdem ist es wichtig, die Gruppe zusammenzuhalten. Man sollte auch ab und zu andere Sachen machen, um Spaß haben. Also, nicht nur an dem Projekt arbeiten. Wir hatten den Vorteil, dass wir uns schon lange kennen.
Erol: Es war eine alte Idee von mir, dass man etwas für die Jugendlichen bei uns machen sollte. Es gibt seit langem einen Elterntreff: Muslimische Eltern treffen sich, sprechen über Religion und Kindererziehung und es gibt Ausflüge. Als die Kinder klein waren, bekamen sie währenddessen Kinderbetreuung. Jetzt dachte ich, können sie auch etwas Richtiges zusammen machen.
Hana: Man braucht engagierte Jugendliche. Durch das Theater sind wir jetzt zusammengewachsen. Jetzt sind wir eine richtige Jugendgruppe und wir haben auch einen neuen Namen…
Erol: Sag schon! Trau Dich!
Hana: Wir heißen: Sojumb: Das steht für „Sozial engagierte junge Muslime für mehr Beteiligung“.
Déjàvu ist Preisträger des landesweiten entwicklungspolitischen Kulturwettbewerbs Aller Welt Bühne 2019 und nominiert für den DeinDing2019 Jugendbildungspreis Baden-Württemberg.
Das Interview führte Julia Gerlach